Warum lieben wir Krimis, Otto Penzler?

Wunderbar Together hat den Inhaber des ältesten Mystery-Bookshops der Welt besucht. Dabei herausgekommen ist ein wundervolles Gespräch über unsere Faszination für Krimis, die Sehnsucht nach guten Geschichten und den unbedingten Wunsch, der eigenen Leidenschaft kompromisslos nachzugehen.

Aber zurück zum Anfang: Manchmal ist es sinnvoll, Dinge nicht zu tun. Otto Penzler beispielsweise hätte niemals einen Buchladen eröffnet, hätte er vorher einen Geschäftsplan erstellt: „If I'd had a business plan, I would never have opened the store. Because you can't make money as an independent book seller in New York. But we have. And we're still here“, sagt er mit der schelmischen Stimme eines 82-Jährigen, dessen Entscheidungen vielleicht nicht immer betriebswirtschaftlich durchdacht waren – dem der Erfolg aber recht gegeben hat. Heute führt Otto Penzler die älteste und größten Krimi-Buchhandlung der Welt: The Mysterious Book Shop. Felix hat ihn in seinem Büro im Untergeschoss des Buchladens besucht – und ist buchstäblich abgetaucht in eine Welt voller guter Geschichten.

Denn Otto Penzler ist ein Paradebeispiel für all die fantastischen Dinge, die passieren können, wenn man einen gewissen Optimismus an den Tag legt und seine Leidenschaft zum Beruf macht: Eröffnet im April 1979 (und zwar an einem Freitag, den 13.), führt The Mysterious Book Shop all das, was Krimi-, Detektiv- und Mystery-Fans lieben, inklusive signierter Exemplare und seltener Erstausgaben. Darüber hinaus verlegt Penzler selbst – mehrere Dutzend Titel im Jahr. Sein Erfolgsgeheimnis: Den Autorinnen und Autoren gebührend Respekt zollen: „As a publisher and a bookseller, I’m in awe of what authors can do. And I think it’s one of the reasons why I’ve been a fairly successful publisher and bookseller because I admire them so much. Because writing a novel – even a bad novel – is hard. It’s really hard.“ Penzler wird 1942 in Hamburg geboren („Bad choice. It was bombed every single night.“), sein eigentliches Leben beginnt jedoch, zumindest in seiner Erzählung, erst Jahre später: „I was born on the day I stepped on the ship to come to America.“ Sein Vater fällt im Krieg, seine deutsch-amerikanische Mutter kann ihn und seinen kleinen Bruder im Hamburg der Kriegs- und Nachkriegsjahre kaum ernähren: „My mother was so desperate to try and feed her kids that one day she tried boiling tree bark, hoping there were some kind of nutrients in it. But there weren’t.“ Nach Kriegsende – und weiteren Monaten des Wartens und Bangens – darf sie mit ihren Kindern endlich nach Amerika ausreisen, in ihre Heimatstadt New York.

Die South Bronx, seinen neuen Heimatort, findet Penzler „terrifying“, ähnlich viel Nervenkitzel bereitet ihm nur Sherlock Holmes’ Hund von Baskerville. Die Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle üben eine magische Wirkung auf ihn aus, der er sich nicht entziehen kann – oder will: Er studiert Literatur, arbeitet als Journalist und Autor, verlegt erste Bücher und eröffnet dann, beinahe aus einer Laune heraus, seinen ersten Buchladen. Es ist mehr als nur ein Job – es ist eine Lebensaufgabe: „It started with me being a reader, a collector, then becoming a publisher and opening a bookshop. I love this. This is my life“, sagt er. „I love my bookstore. I love rare books. I love talking about my books with customers that come to my store. I just love being in a bookstore.“ Was eine Erstausgabe von Edgar Ellen Poe kostet, in welchen Bereichen der Einzelhandel den Online-Versandgiganten immer eine Nasenlänge voraus sein wird und warum eine Serie wie "Tatort" nur in einer freien Gesellschaft erfolgreich sein kann – das alles erzählt der wunderbar-knurrige Otto Penzler in der 83. Folge von Wunderbar Together. „I don’t listen to podcasts, they don’t interest me“, hat er Felix am Ende mitgegeben – wir sind auch deswegen dankbar, dass Otto Penzler uns bei Wunderbar Together beehrt hat.

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