Die Schauspielerin: Christiane Seidel

Ihren Einstieg hatte sie in einer Nebenrolle bei "Law & Order", der Durchbruch kam mit Boardwalk Empire, und nun hat sie gerade die Erfolgsserie "The Queens Gambit" (Damengambit) und einen noch geheimen Hollywoodfilm abgedreht: die Schauspielerin Christiane Seidel ist eine der erfolgreichsten deutschen Schauspielerinnen im amerikanischen Film- und Fernsehgeschäft. In der 37. Folge des Wunderbar Together Podcasts blicken wir mit ihr hinter die Kulissen des Traumberufs Schauspieler*in, tauchen in ihr Leben mit ihrem Mann und ihren Zwillingen in Brooklyn ein, wo die Familie Deutsch, Dänisch, Chinesisch und Amerikanisch spricht – und diskutieren über die Unterschiede im deutschen und amerikanischen Filmbusiness.

Die Schauspielerin: Christiane Seidel

Geboren im texanischen Wichita Falls, wo ihr deutscher Vater als Marineflieger auf der NATO-Base arbeitete und dort gemeinsam mit ihrer dänischen Mutter lebte, kam Christiane als Dreijährige wieder zurück nach Deutschland. “Ich war nicht so die beliebteste Schülerin, ich hatte mit Mobbing zu tun, und auf der Bühne war ich ganz frei. Wenn ich nur ich selber war, hab' ich mich oft nicht so wohl gefühlt. Ich bin dann nach Dänemark gegangen, ins Ausland, dort habe ich mich gefunden, aber die Bühne, das Theater, war immer dabei. Also die totale Freiheit.”

Ausgebildet am Lee Strasberg Institute in New York – “das ist in Deutschland sehr bekannt, aber eigentlich gibt es hier auch noch viele Schulen die genauso gut oder besser sind” – kam Christiane als Novizin ins New York Geschäft und war zunächst froh um jeden Job, ob als Hostess bei Events, Sex & The City-Tourguide oder Mini-Rolle in Werbespots. “Die Tiefpunkte und Zweifel kann ich gar nicht mehr zählen. Und hätte ich damals gewusst, was ich jetzt über die Branche weiß, weiß ich gar nicht, ob ich mich das alles getraut hätte. Aber Eddie, mein Mann, war immer mein größter Unterstützer. Er hat mich immer gepusht, wenn ich aufgeben oder einen 'richtigen Job' suchen wollte. Er hat mich weitergezogen und weitergeschoben.” Als sie 2009 für ihre erste Rolle in "Law & Order" gebucht wird, “war das für mich das erste Mal, dass ich dachte ‘vielleicht bin ich nicht total auf dem Holzweg’.” Und als sie schließlich in "Boardwalk Empire" landet, spielt sie sich in die Herzen und Bücher der Autoren und bleibt statt einer Folge für vier Staffeln. “Ich habe lange danach erfahren, dass sie mich mehrfach rausgeschrieben hatten – aber es ging dann doch weiter.”

Die Sprachen, zwischen denen Christiane aufwuchs, sind inzwischen ihr Wettbewerbsvorteil. “Als ich hierher kam, hatte ich einen deutschen Akzent und wurde nur für deutsche Sachen gecastet. Ich habe mich dafür geschämt – und habe mir den Akzent mühsam mit einem Coach abgearbeitet. Es ist ein komischer Prozess weil man das Gefühl hat, seine Identität zu verlieren. Inzwischen hat sich die Branche verändert, es gibt jetzt Diversity im Film und mehr Menschen mit Akzenten werden eingesetzt. Plötzlich ist man für die Amis exotisch und interessant als Deutsche oder Dänin.”

Als Christiane während eines Drehs herausfand, dass sie Mutter von Zwillingen werden würde, erzählte sie es am Arbeitsplatz nur dem Regisseur, der sich, selbst Zwilling, riesig freute. Ansonsten behielt sie die News erstmal für sich – und ging dann durch eine Phase, in der sie kaum gecastet wurde. “Es gibt im meinem Umfeld sehr wenige Schauspielerinnen mit Kindern. Es ist schwer. Und wenn man Crew Member ist, ist es noch schwerer, mit den langen Tagen und der Nachtarbeit. Es ist keine familienfreundliche Arbeit. Ich habe noch nie meine Kinder mit am Set gehabt oder so. Das kommt gar nicht zur Sprache.”

Inzwischen sind die Zwillinge vier, und Christiane gefragter denn je. Zuletzt war sie als strenge norwegische Heimleiterin im Damengambit (“The Queens Gambit”) zu sehen und drehte im August mit Morgan Freeman, Oscar-Gewinnerin Juliette Binoche und Veronica Ferres im heißen Mississippi einen Kinofilm. “In Deutschland heißt es manchmal am Set auch einfach nur; Spaß haben. ‘Let’s shoot the shit!’ Hier am Set gibt es eine strenge Hackordnung. Und das führt dann auch manchmal dazu, dass sich einige Leute benehmen als wären sie die Nummer 1 auf dem Call Sheet, also der Rangliste der Schauspieler am Set, auch wenn sie weit davon entfernt sind. Und dann gibt es Oscar-Gewinner wie Juliette Binoche, die total entspannt sind. Sie ist eine sehr gebende Schauspielerin. Auch wenn die Kamera nicht auf sie gerichtet ist, ist sie trotzdem voll mit dabei.”

Für die Zukunft hofft Christiane auf mehr Filmproduktionen mit ihrem Mann Eddie, mit dem sie gemeinsam eine Produktionsfirma führt. Im Jahr 2021 mussten die beiden sich aber in ihrer Heimat New York mit den Hassangriffen gegen asiatische Menschen auseinandersetzen, die ihren Mann massiv verängstigten. “Es wurde so extrem, dass mein Mann nicht mit den Kindern einkaufen gehen wollte. Er hat gesagt ‘geh du mit den Kindern’. Er hatte Angst um die beiden. Wir hatten auch sehr viel Angst um seine Mutter. Angriffe gingen ja häufig gegen ältere Frauen. Eddie deswegen auch ganz lange vermieden, Subway zu fahren. Jetzt ist es ein bisschen aus den Medien verschwunden, aber es wird leider einfach weniger darüber berichtet.”

Gemeinsam halten die beiden durch – in New York, im Filmgeschäft, und mit Zwillingen. “Life is not a race, overnight successes gibt es nicht. Die sind meistens 10-20 Jahre in the making”, sagt Christiane. Und: es gibt nepotism. Die meisten Menschen, die ganz jung und erfolgreich sind als Schauspieler, kommen aus einer Hollywood-Familie. Die sind einem Jahre oder Jahrzehnte voraus. Man muss also einen langen Atem haben, wenn man wirklich diesen Traum hat. Und man kann und muss seine Träume anpassen, in Frage stellen, mit der Realität, die sich verändert, und mit einem selbst."
 

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